(von Ruth Monicke)
Welch medialer Aufschrei, der in Anbetracht der heißen Diskussionen um zerstörte Wälder und Karstgebiete das neue elektronische Bürgerblatt erschüttert. Und welch ein Drama, dass es gerade das Umfeld der Familie Rode mit aller Härte trifft, das geht schon sehr zu Herzen. Vor allem, dass es jetzt sogar unterirdische Sprengungen sein sollen, das ist ja ganz was Neues. Ein Glück, dass diese Sprengtechnik nicht schon in den Jahren um 1864 im Rode-Steinbruch angewandt wurde (damals aggressives Dynamit), denn dann wären längst schon einige Straßen in der Versenkung verschwunden und andere nie gebaut worden.
So aber wurden noch Mitte des 20. Jahrhunderts im Rode-Steinbruch ganz normale Sprengungen vorgenommen, wo zwar noch mit brisanteren Sprengmitteln als mit dem (späteren) gelatinösem Sprengstoff Ammongelit gearbeitet wurde, dafür aber wurde täglich gesprengt. Heute dagegen bevorzugt man Sprengstoffe mit abgeschwächter Brisanz bei Gesteinsoberflächensprengungen, besonders diese, die in Ortsnähe eingesetzt werden. Vor allem aber, um Häuser vor dem „Wellenwackeln“ zu schützen.

Bei diesem Exponat aus der Walkenrieder Gipsausstellung handelt es sich um eine Schablone der in Walkenried ansässigen Firma Rode, die zur Markierung von Transportbehältern eingesetzt wurde.
Diese technischen Feinheiten hat es zu Rodes Zeiten leider noch nicht gegeben. Die weit über die Grenzen Walkenrieds hinaus bekannte Gipsfabrik Albrecht Meyer am Röseberg, ab 1904 der Familie Rode gehörend war – neben Genzel – einer der wichtigsten Arbeitgeber Walkenrieds. Noch heute zeugt die ehemalige „Rode-Villa“ von der wirtschaftlichen Blütezeit der Gipsindustrie. Viele Familien hatten hier Arbeit und Brot, manche Immobilie wurde erschaffen und einige Arbeiter fanden in Rodes Werkswohnungen unmittelbar am Steinbruch sogar ein Zuhause. Und wie noch heute berichtet wird, fühlten sich alle auf dem Werksgelände sehr wohl.
Und heute? Keine Sirene kann mehr stören, es gibt keinen Brecher mehr, keinen Kocher, kein Geklappere auf der Verladerampe und keine einfahrenden Güterwaggons oder Lastwagen zu Rodes Gipswerk bedrohen mehr die Idylle am Teich. Die profitable Gipsfabrik Meyer/Rode ist erloschen. Und so hat sich ein Stückchen Walkenrieder Geschichte längst verabschiedet. Wie so vieles. Walkenried erinnert jetzt ein bisschen an ein Rentnerdorf. Schon vor einem Jahr wurde der Stillstand eingeläutet. Absolute Ruhe ist angesagt, die Jugend ist weg, Kinder auch und Arbeitsstätten machen endlich keinen Lärm mehr. Einzig erstrebenswerter Vorzug – die bedrückende Stille schont die überreizten Nerven.
Ruth Monicke
Hier kann ich mir einen kurzen Kommentar nicht verkneifen, scheint es mir doch zwei wesentliche Unterschiede zwischen dem Walkenried des Jahres 2012 und dem Walkenried des Jahres 1890 zur Hochzeit der Gipsindustrie im Harz zu geben. Zum einen lebt Walkenried heute sehr viel stärker vom Tourismus, als dies vor 120 Jahren der Fall war. Grundsätzlich sind natürlich Gipsabbau und Tourismus miteinander vereinbar – wenn man aber als Tourist den Steinbruch auf dem Klostervorplatz irgendwann sehen und hören kann, ergibt sich zweifellos ein Interessenskonflikt, welcher der öffentlichen Diskussion bedarf. Zum anderen hatten natürlich Rode, Meier, Euling, Mack und all die anderen Gipsindustriellen alter Schule ihren Firmensitz auch in der Region und haben ihre Steuern und Abgaben hier vor Ort (und eben nicht in Frankreich) entrichtet – ganz abgesehen davon, dass auch die Arbeitsplatzdichte im Gipsabbau damals sehr viel höher lag. Die ökonomische Basis ist demnach schlicht eine andere.
Sehr geehrter Herr Reinboth,
in Ihrem Beitrag werfen Sie die Frage auf, ob Saint-Gobain Formula die Gewerbesteuer vor Ort entrichtet. Es ist zwar richtig, dass Formula seit der Übernahme 2005 Teil des französischen Konzerns Saint-Gobain ist. Fakt ist aber: Das Unternehmen zahlt seine Grund- und Gewerbesteuern an die Gemeinde Walkenried. Das war in den letzten Jahren immer so und es gibt auch keine Pläne, das zu verändern.
Zudem fördern wir viele Projekte der Region: 2012 wurden verschiedene Schützenvereine, Feuerwehren und Gemeinden finanziell unterstützt. Im Frühjahr 2011 spendete Formula Gelder für die Erstellung und Anbringung von Informationstafeln am Karstwanderweg. Die entlang des Karstwanderwegs aufgestellten Schautafeln informieren über die Besonderheiten der Gipskarstlandschaft. Jenseits der Gewerbesteuern engagieren wir uns nachweislich im sozial-gesellschaftlichem Bereich.
Zum Thema „Arbeitsplätze“ lassen Sie mich kurz anmerken: Momentan beschäftigt Formula 106 Mitarbeiter in Niedersachsen und Thüringen. Jährlich bilden wir Industriekaufleute aus und ermöglichen Jugendlichen damit einen qualifizierten Einstieg ins Berufsleben. Zudem werden durch den Gipsabbau, wie von Frau Bestert bereits geschrieben, weitere Stellen in zahlreichen regionalen Zulieferbetrieben und Kundenindustrien gesichert.
Wir haben eine soziale, gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Verantwortung. Dieser stellen wir uns und kommen auch den daraus erwachsenden Verpflichtungen nach.
Freundliche Grüße
Elmar Zimmer, Werksleiter Walkenried
Das stimmt so nicht
Als Vorstand von „Wir Walkenrieder“ waren wir zu einem Gespräch auf der Kutzhütte geladen – und mitnichten werden die Steuern in Frankreich entrichtet – sondern in Walkenried! Außerdem sind hier auch Arbeitsplätze gebunden – und dazu gehören nicht nur die Arbeitsplätze auf der Kutzhütte, sondern auch anderer Firmen (Spedition, Reinigung etc.) – das sollte man immer bedenken. Ich habe selbst dort gelernt und mein Mann arbeitet da immer noch – es gilt also eine Familie zu ernähren. Das kann der Tourismus leider nicht. Auch habe ich vernommen, das durch den Umbau am Kloster keine weiteren Arbeitsplätze entstehen werden…..So viel dazu.
Alles in Einklang zu bringen – toller Tourismus und eine lautlose – quasi unsichtbare Industrie wird so nicht gelingen. Aber jeder kann seinen Beitrag dazu leisten, anstatt dauernd auf einander ein zu schlagen. ,
@Meike Bestert: Sicher zahlt das Unternehmen Grundsteuern und andere lokale Abgaben, die sich bei einer Gewerbetätigkeit vor Ort gar nicht vermeiden lassen – wovon die Gemeinde natürlich auch profitiert. Aber wird auch die Gewerbesteuer vor Ort entrichtet? Zu alten Börgardts-Zeiten flossen der Gemeinde jährlich über zwei Millionen an Gewerbesteuern zu – und das hat sich durch die Übernahme doch geändert – oder nicht?