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Gipsausstellung

Der „Walkenrieder Kapitän“ Felix Meier (1834-1886) – Teil III


Die Familie des Gipsindustriellen Albrecht Meier (1838-1904) hat Walkenried in vielerlei Hinsicht stark geprägt. Auch sein Bruder Felix Meier (1834-1886) hat als „Walkenrieder Kapitän“ und Geschäftspartner Albrechts seine Spuren im Ort – und in der Welt – hinterlassen. In den kommenden Wochen wollen wir hier in den „Walkenrieder Nachrichten“ im Rahmen einer vierteiligen Artikelserie das faszinierende Leben dieses Seemans und späteren Gipsfabrikanten beleuchten. Ermöglicht wird uns dies durch eine Dokumentenspende seines Enkels, Henning Meier-Lüderßen aus Hamburg, dem an dieser Stelle herzlich für seine Unterstützung gedankt sei.

(zusammengestellt von Christian Reinboth, Michael Reinboth und Fritz Reinboth)

Reisen mit dem „Kingman“ und Schiffbruch vor China

Nach rund acht Jahren auf See ergab sich für Felix Meier die Chance, als Kapitän ein eigenes Kommando zu übernehmen – ein großer Karrieresprung, der jedoch durch eine Meuterei und einen Schiffbruch teilweise wieder zunichte gemacht werden und letztendlich zum Ausstieg Felix Meiers aus der Seefahrerei führen sollte.

Mitte März 1858 wurde Felix der Antrag gemacht, als Kapitän das neue Schiff „Kingman“ von der Reederei Berenberg und Goslar zu übernehmen. Dasselbe lag in Sundsvall in Schweden und sollte unter seiner Aufsicht erst fertig gebaut werden. Wie froh und glücklich nahm er dieses Anerbieten an – schließlich hatte er nun das Ziel seiner Wünsche erreicht. In den letzten Tagen im April 1858 traf er bereits in Sundsvall ein und verlebte jeden Tag auf der Werft beim Bau seines Schiffes. Erst im Oktober wurde der„Kingman“ fertig und zunächst nach Rio, Kapstadt, Batavia und Singapur entsandt. Von dort aus ging er nach China und fuhr viele Küstenfachten.

Am 15. Februar 1861 stach der „Kingman“ von Fontchou aus mit einer Ladung Tee in Richtung Europa in See und traf nach glücklich zurückgelegter Reise am 28. Juni 1861 in Cuxhaven ein. Nach einer dreijährigen Abwesenheit kehrte Felix Meier gesund von seiner langen aber interessanten Reise heim. In seinem engsten Familienkreise fand er zwar alle Lieben bei guter Gesundheit an, jedoch waren sein Onkel August [der Hamburger Senator, der ihn einst zur Seefahrerei brachte] und seine Tante Maria Lüderßen während seiner Abwesenheit verstorben, wodurch das Wiedersehen getrübt wurde. Dennoch verbrachte Felix im Sommer 1861 zahlreiche glückliche Wochen im Kreise seiner Familie, bevor er erneut mit dem „Kingman“ in See stach.

Singapur

Segelschiffe im Hafen von Singapur, aufgenommen um 1890 (Quelle: Wikipedia).

 

Auf einer neuen Reise Mitte September 1861 nach Schweden begleitete ihn sein Bruder Albrecht Meier [Hier handelt es sich um den eingangs erwähnten späteren Gründer der Walkenrieder Gipsfabrik, der zu diesem Zeitpunkt noch ein Student des Eisenhüttenwesens und Hütteneleve in Zorge war. Wie im ersten Kapitel erwähnt, zerschlugen sich diese Berufspläne jedoch einige Jahre darauf.], der dort die großen Erzbergwerke eingehend besichtigte; er selbst fuhr dann weiter über Kapstadt nach East London, nach Batavia, nach Makassar – wo er überaus freundlich von einem Braunschweiger namens Jonas aufgenommen wurde – nach Hongkong und nach Shanghai. Von hier aus unternahm er mehrere Küstenfahrten. Mit anderen Kapitänen machte er hier sogar einmal Jagd auf chinesische Piraten, denen sie mehrere Boote mit gestohlenem Reis abnahmen.

Am 30. Dezember 1862, als der „Kingman“ vor Amoy (oder Shanghai) lag, meuterte die Mannschaft unter Führung des Zimmermanns, da sie keine Arbeit mehr verrichten und abgemustert werden wollte. Weil das Schiff schon segelfertig war, hatte sie jedoch nicht das Recht, die Arbeit zu verweigern und Abmusterung zu verlangen. Felix musste dennoch fremde Leute für die Arbeit dingen. Als am fünften Tage der Zimmermann, der die lärmenden Leute hinter sich dachte, handgreiflich zu werden drohte, zog Felix seinen Revolver, worauf der Kerl ihn höhnisch verlachte und schrie: „Wenn Sie ein Kerl sind, schießen Sie doch“. Felix feuerte den Revolver daraufhin ab und verwundete sein Gegenüber am Hals. Obwohl der Zimmermann die Mannschaft aufforderte, ihn zu rächen, rührte sich keiner – und als Felix den Leuten befahl, sich an die Arbeit zu begeben, endete die Meuterei und Ruhe trat ein.

Die gerichtliche Untersuchung stand Kapitän Meier zu, dass er vollständig in seinem Recht gehandelt habe, ihn selbst aber bedrückte es lange Zeit sehr, dass er auf einen Mitmenschen geschossen hatte, und er fand erst seinen fröhlichen Gleichmut wieder, als der Zimmermann vollständig genesen war. Eine große Freude und Genugtuung war es ihm, dass ihm beide Steuerleute treu zur Seite gestanden hatten.

Meuterei auf der Bounty

Die bekannteste Meuterei der Weltgeschichte – die auf der HMS Bounty – in einer Darstellung von Robert Dodd aus dem Jahr 1790 (Quelle: Wikipedia).

 

Seine Hoffnung und seines Reeders Wunsch, den „Kingman“ gut zu verkaufen, erfüllte sich allerdings nicht, da das Schiff durch einen Unfall verlorenging. Auf der Fahrt von Shanghai nach Newschwang rann das Schiff am 24. August 1863 bei Nebel fünf Seemeilen vom Lande entfernt auf ein im Wasser verborgenes Riff; und bald sah der Kapitän ein, dass sein geliebter „Kingman“ verloren war. Boote wurden ausgesetzt und alle gelangten glücklich an Land wobei mit unbeschreiblicher Anstrengung viel von der Ladung und sämtliche Passagiere gerettet wurden. Felix verließ am 26. August 1863 als Letzter das Wrack und ließ die letzten Reste des Schiffs durch Feuer vernichten. Chinesische Seefahrer brachten dann Mannschaft und Passagiere sowie die Reste der Ladung gegen teure Bezahlung nach Newschwang.

Der Verlust seines Schiffes, die großen Anstrengungen bei der Rettung der Ladung aus den wassergefüllten Schiffsräumen und die seelische Aufregung durch dieses Unglück legten den Keim für das spätere Herzleiden Felix Meiers.

Im nächsten Teil: Letzte Seereisen und Ruhestand im Harz.

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Über Christian Reinboth

http://www.christian-reinboth.de

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