Die Veröffentlichung des Kriegstagebuchs von Friedrich Ernst Reinboth (1891 – 1918) in den „Walkenrieder Nachrichten“ wird heute mit dem zweiten von insgesamt zehn Teilen fortgesetzt. Alle wichtigen Informationen zu dieser Artikelserie finden sich hier im ersten Teil.

Die beiden Brüder Friedrich (links) und Carl Reinboth (rechts) in einer Aufnahme aus dem Jahr 1914.
Auch Carl kämpfte später in einer Infanterieeinheit, überlebte den Krieg jedoch unverletzt.
07. August 1914 (Orte: Boismont, Bazailles)
Früh 7 Uhr Abmarsch. Bei Baizailles stossen wir auf feindliche Stellungen. Verschiedene Patrouillen werden abgeschossen. Unter anderem fällt Ltnt. Wangenheim, Ltnt. Mosch H.14. Esk. schwer verwundet. Auch Schuster von uns. Schwadron wird verwundet. Die in eiliger Flucht erlassenden Waldränder zeugen, wie gut sich die franz. Inf. dort eingenistet hatte. Nachmittag kommt unsere Artillerie auf die fliehende Infanterie zum 2. Gefecht. Sie hat durch das sichere Schiessen gute Resultate. Der 1. feindl. Flieger in Sicht.
An diesem Tag: Trotz andauernden Widerstands durch belgisches Militär gelingt deutschen Truppen die Besetzung der Stadt Lüttich, wo es zu erheblichem Vandalismus kommt. In Berlin bricht man alle Vorbereitungen für die dort geplanten Olympischen Spiele des Jahres 1916 ab, die in Deutschland hätten stattfinden sollen.
08. August 1914 (Ort: unbekannt, ggf. Mercy-le-Bas)
Notquartier. Um 1 Uhr Alarm. Ausrücken bis Marie le Pas. Beim Wegreiten durch Franktireur 1 Dragoner erschossen. Erschiessen des Bürgermeisters durch Gefr. Becker. 4/H.14.
Als Francs-tireurs (abgeleitet aus den französischen Worten franc für frei und tireur für Schütze) wurden ursprünglich französische Freikorps während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 bezeichnet. Der Name fand später auch für französische Partisanen im Ersten und Zweiten Weltkrieg Verwendung.
10. August 1914 (Ort: Boismont)
Früh 2 Uhr Wecken. 3 Uhr Abmarsch in der Richtung wo 2 Jägerbataillone der Franzosen die Stadt verlassen haben. Im Ort wird kurze Rast gemacht. Alarm! Besetzen die Höhen vor der Stadt. Abends kommt die Botschaft vom Aufreiben der Artillerie und Jäger zu Fuss vor uns durch französische Artillerie. Dieselben seien überrascht sogar beim Baden. Um 12 Uhr Einrücken in Boismont. Eintreffen der Bagage nach 9 Tagen.

Von Fritz Reinboth angefertigte Zeichnung der Insignien des Husaren-Regiments Friedrich II. von Hessen-Homburg Nr. 14. Als Leitspruch ist auf einem Banner „Schießen und Fechten hilft zum Rechten“ angegeben.
11. August 1914 (Orte: Bazailles, Boismont)
Ausrücken um 9 Uhr. Unterkunft in Baisailles, wurden aber durch Meldungen gezwungen, nach Boie-Mont zurückzugehen. Übernachten auf freiem Felde. Wir erhalten planlos Feuer durch eigene Truppen.
An diesem Tag: Kriegserklärung Frankreichs an Österreich-Ungarn.
12. August 1914 (Orte: Longwy, Boimsont)
Auf Patrouille nach der Schlacht auf Longwy. Nichts vom Feinde zu sehen, deshalb zurückgehen. In Boimont auf dem Felde Biwak. Die Verwundeten werden zurücktransportiert in eine Schule.
Bei Longwy sollte sich einige Tage später – vom 22. bis zum 25. August 1914 – eine verlustreiche Schlacht zwischen deutschen und französischen Truppen ereignen, der Fritz vielleicht nur aufgrund einer Beinverletzung entging, die er sich drei Tage nach diesem Tagebucheintrag zuzog.
13. August 1914 (Orte: Esch-sur-Alzette, Reckingen)
Früh Ausrücken zum Rückzug aus Frankreich über Deutsch-Orth, Esch. Jubelnde Begeisterung in Esch. Wir werden förmlich traktiert mit Liebesgaben. Unterkunft abends im Luxemburgischen, im Ort Reckingen.
An diesem Tag: Die Veröffentlichung des gesellschaftskritischen Romans „Der Untertan“ von Heinrich Mann in der Zeitschrift „Zeit im Bild“ wird eingestellt, da die Redaktion das Werk für zu unpatriotisch erachtet.
14. August 1914 (Ort: Arel)
5 Uhr Ausrücken. Um ½ 9 Überschreiten der belgischen Grenze. Das schmucke Städtchen Arlons ist ziemlich verlassen. Durch feindliches Entgegentreten der letzten Hausbewohner werden dessen Häuser von den 88ern und 89ern Infanteristen demoliert. Abends 9 Uhr Unterkunft in Franze.
15. August 1914 (Ort: unbekannt)
Weiteres Vorrücken bis [Lücke im Text des Tagebuchs]. Mit Unteroffizier Meder & Wetter auf Erkundungsritt. Dabei im Galopp mit dem Pferd in ein Drahtgefüge gestürzt und das linke Bein gequetscht. Nachts im Biwak unter Franze. Übernachten unter Bagagewagen.
16. August 1914 (Ort: Etalle)
Einliefern mittels Sanitätswagen nach Etaille ins Lazarett. Sergant Kellner und Stürmcke als verwundet dorthin gebracht. Fuhrmann und Röcher tot. 8 Pferde verloren.
An diesem Tag: Beginn der Schlacht von Cer (auch: Schlacht am Jadar) im Rahmen der ersten österreichisch-ungarischen Offensive gegen Serbien, die am 24. August nach 39.000 Toten auf beiden Seiten mit dem Rückzug der österreichisch-ungarischen Armee endet.
17. August 1914 (Orte: Etalle, Arel, Trier, Koblenz)
Verbinden in Etaille. Wegbringen mittels Auto. Sergeant Kellner, Stürmcke und ich unter Mitnahme eines franz. Kürassiers nach Arlone. Von dort mittels Zug über Luxemburg, Trier (Sergt. Kellner wird wegen Durchbluten des Verbandes in Trier ausgeladen), Coblens ins Garnisonslazarett. Von dort nach Feststellung durch Röntgen, dass es ein Knöchelbruch ist, am
18. August 1914 (Orte: Kloster Marienhof in Koblenz, Oberwerth in Koblenz)
nach Kloster Mariahof. Sorgfältige Pflege durch Schwestern. Besuch S.M. des Kaisers im Feld-Larzarett – Übersiedeln nach Oberwerth, Lehrerinnen-Seminar direkt am Rhein.

Zeichnung von Kaiser Wilhelm II, angefertigt von Fritz Reinboth nach einem Besuch Wilhelms
in seinem Verwundetenlager im Kloster Mariahof.
02. September 1914 (Ort: Oberwerth)
Entfernen des Gipsverbandes. Das Gehen geht im Anfang schlecht, wird aber bis zum 04.09. so gut, dass ich am
04. September 1914 (Orte: Oberwerth, Koblenz, Diedenhofen/Thionville)
entlassen werde, felddienstfähig. Abends nach Abmelden von der Kommandantur in Coblenz, Abfahrt nach Diedenhofen [heute Thionville im Elsass]. Dort werden wir ohne Waffen nicht weiterbefördert. Nach Absenden eines Telegramms nach Cassel lauere ich 6 Tage auf meine Ausrüstung.

Im städtischen Museum FLOHBURG in Nordhausen werden Fritz Reinboths Kriegstagebücher (darunter auch das hier vorgestellte) sowie weitere Dokumente aus seinem Nachlass vom 1. August bis zum 26. Oktober 2014 im Rahmen einer Sonderausstellung zum I. Weltkrieg gezeigt.
Hallo Herr Reinboth, tolle Leistung vom Ur-Großvater, daß er seine Erinnerungen aufgeschrieben hat und ich finde es gut, daß Sie die Unterlagen gesichert haben und nun 100 Jahre später veröffentlichen. BS-Tettenborn