(von Ruth Monicke)
Vor 70 Jahren – eine bedrückende Weihnachtszeit liegt hinter uns, die Front rückt näher, immer näher. Die Nachrichten sind gespickt mit Durchhalteparolen an das Volk. Die, die uns über Volksempfänger und Presse derartiges glauben machen wollen, haben sich schon teilweise abgesetzt. Oder haben sich in Bunkern verbarrikadiert. Alle anderen an den Schalthebeln der Macht, werden sich trotz besserem Wissen hüten, dem geschundenen Volk die Wahrheit zu sagen. Die einen, weil sie das Volk ruhig halten wollen. Die anderen, weil sie wegen Wehrzersetzung um ihr Leben fürchten. Wie es aber um die Menschen wirklich bestellt ist – das interessiert in den oberen Etagen keinen. Das Volk hatte still zu sein und die Frauen die Lasten der Zerstörung zu tragen.
Wir, die damaligen Kriegskinder in den ländlichen Gebieten, oder in der abgeschiedenen Bergwelt, lebten noch relativ unbeschwert. Im Gegensatz zu den Stadtkindern, die unter der ständiger Furcht vorm nächsten Fliegerangriff litten. Dass es zu Festtagen immer seltener ein Geschenk gab, das war schon Gewohnheit. Die Anzahl der Kriegsopfer im Felde oder in der Heimat stieg. Dass jede Familie die ständig wachsende Zahl der Toten betrauern musste, schürte die Verzweiflung und die Angst vorm morgigen Tag. Welche Hiobsbotschaft hält der Postbote morgen in seiner Hand?
Und dann kam die furchtverbreitende Schreckensnachricht aus Ostpreußen, der 18. Januar 1945, der Durchbruch der russischen Armee. Stalin hat für seine Winteroffensive mit dem Kälteeinbruch als Verbündetem gerechnet und den Zeitpunkt in Ruhe abgewartet. Dann, mit Artillerie und Stalinorgeln zerschlug der russische Ansturm jeglichen Widerstand. Mit frischen Verbänden und gut ausgerüstet, standen auf der gesamten 600 km langen Ostfrontlinie 200 russische Divisionen der geschwächten deutschen Wehrmacht mit 70 Divisionen gegenüber, bereit zur Einnahme der deutschen Ostgebiete.
Dann ging es Schlag auf Schlag, das Einkesseln, das Vorsichhertreiben der Flüchtenden aus der Danziger Bucht. Panzer überrollten die Flüchtlingstrecks bei eisiger Kälte. Dazu der Beschuss der Tiefflieger, es gab kein Ausweichen im hohen Schnee. Und was für ein Drama auf dem Frischen Haff, Pferdefuhrwerke versinken durch die berstende Eisdecke im eisigen Wasser. Dann der Untergang der Flüchtlingsschiffe auf der Ostsee, und alles bei unter minus 20 Grad Kälte. Die Opfer, hauptsächlich alte Leute, Frauen und Kinder. Die Massenvergewaltigung der Frauen. Sie liefen um ihr Leben, Hab und Gut zurücklassend. An totaler Erschöpfung starben die Menschen, und tötete das Vieh. Die Toten am Wegesrand begrub der Schnee.
Es gibt „Helden“-Gedenktage, mit viel Pathos begangen. Für ordensgeschmückte Männer! Wurde aber je den geschundenen Frauen gedacht, die klaglos ihre Kinder, die Säuglinge, die alten Großeltern mit letzter Kraft aus dem Kriegs-Chaos herausbrachten? Die keine Möglichkeit hatten die Erfrorenen zu begraben? Oder seien es die Frauen die mit ihren Familien aus Schlesien kamen. Die bis zur Vertreibung, aber auch danach der Not und der Willkür ausgesetzt waren. Oder die, die die Bombenangriffe und das Inferno in den Städten erlebten – und letztendlich die Trümmer des Krieges wegräumten.
Warum hat es niemals einen Ehren-Gedenktag für diese Kriegs-Frauen gegeben? Wir schreiben mittlerweile das Jahr 2015 – 70 Jahre Kriegsende, um Danke zu sagen ist es zu spät, ist zu viel Zeit vergangen. Diese Frauen machten nie Aufhebens um ihr Tun, es waren keine Helden, unbeachtet, aber großartige, starke Frauen, die ihre Familien heldenhaft durch das Elend in Sicherheit brachten.
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