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Gipsausstellung

Was tut sich eigentlich im Walkenrieder Torbogen?


(von Michael Reinboth)

Der Walkenrieder „Torbogen“ heißt ja eigentlich „Oberes Klostertor“, aber im Klosterort kennt man ihn seit Jahr und Tag unter dem Begriff „Torbogen“, und als solcher liegt er den Walkenriederinnen und Walkenriedern seit jeher sehr am Herzen. Nicht nur deswegen, weil er – in Teilen – das älteste noch stehende Bauwerk im Ort ist, romanischen Ursprungs und somit deutlich älter als die Klosteranlage selbst, sondern weil er bei unzähligen Veranstaltungen als prachtvolle Kulisse für Fackel-, Fest- oder Kinderumzüge diente und dient, weil er, weihnachtlich geschmückt, ein schönes Bild abgibt und im Sommer mit viel Blumenpracht zum Besuch des Unterklosters einlädt.

Ob er in diesem oder in den nächsten Jahren weihnachtlich erstrahlt, das hängt unter anderem vom weiteren Verlauf der Energiekrise ab. Blumenschmuck trägt er dieses Jahr nicht, und Familie Krüger muss auch nicht hinaufeilen, um zu gießen, denn der Torbogen ist eine Großbaustelle geworden. Jedermann konnte beobachten, wie das Bauwerk „entkernt“ wurde, seit kurzem kann jedermann auch ein Schild studieren, welches auf die Ferienwohnungen hinweist, welche hier in Kürze entstehen und dann hoffentlich viele weitere Gäste nach Walkenried locken werden. Und das alles in bester Abstimmung mit dem Denkmalschutz, welcher hier ein Gebäude dadurch schützt, dass seine weitere Nutzung und damit Erhaltung unterstützt wird. Ein Glücksfall.

Auch für die Gemeinde Walkenried, der man ja seitens des Landkreises gern den überhöhten Bestand an Immobilien um die Ohren schlägt. Hier ist es gelungen, ein für das Ortsbild maßgebliches und für die Geschichte ungeheuer wichtiges Objekt an einen verständigen und engagierten Käufer zu veräußern. Manch einer aus dem Rat musste hierbei zwar mühsam überzeugt werden, aber am Ende hat es funktioniert.

Viel Arbeit und Geld mussten schon investiert werden. Das Bild entstand vor Beginn der Entkernung und macht sichtbar, welch enormer Aufwand allein hier betrieben werden musste (Foto: Sammlung von Oheimb).
Auf geht’s. Der Entkernungstrupp hatte mehrere Wochen gut zu tun. Auch Überraschungen blieben, wie bei alter Bausubstanz üblich, nicht aus (Foto: Sammlung von Oheimb).

Der Torbogen hat schon einiges erlebt in seiner mehr als 800 Jahre währenden Geschichte. So, wie er heute vor uns steht, sieht er ja erst nach seinem im 18. Jahrhundert erfolgten Umbau zu einer Polizeikaserne nebst Gefängnis für das benachbarte Amtsgericht in der „Alten Drostei“ aus. Und die beiden so ganz romanisch wirkenden Fußgängerpforten sind ja noch sehr viel jünger. Dafür verschwand eine Seite des zwingerartigen Mauerwerks zugunsten des Saales vom „Goldenen Löwen“, dem heutigen KlosterHotel. Und die Torkapelle gibt es auch nicht mehr. Wer genau hinschaut, entdeckt aber eben doch eigentlich romanische Elemente. Wer es ganz genau wissen will, der sollte sich die Schrift über die Geschichte des Torbogens von Fritz Reinboth zulegen. Da steht alles drin.

Beherbergung war schon immer ein Stichwort für den Torbogen, wurden doch hier dereinst Pilger empfangen und verköstigt, bevor sie weiterzogen. Frauen durften nur an dieser einen Stelle einen Fuß breit in das Kloster setzen. Für sie und alle anderen Durchreisenden stand die Torkapelle zum Beten und Andacht halten zur Verfügung, und der „Bruder Pförtner“ sorgte für Speis, Trank und Ordnung.

Torbogen: Die Liebe auf den zweiten Blick

Nun geht der Torbogen einer neuen Etappe seines langen Daseins entgegen. Der neue „Bruder Pförtner“ kommt aus der Nähe von Hannover, heißt Christian von Oheimb und ist der stolze Bauherr, bei der Arbeit unterstützt von Wolfgang Probst, dem als Walkenrieder der Torbogen natürlich sehr am Herzen liegt. Aber wie kam es dazu? Wieso verguckt sich jemand aus der stolzen Welfenmetropole (oder jedenfalls aus deren Nähe) in ein altes Walkenrieder Gemäuer? Und wieso nimmt er dann, im Wissen um die Tücken bei der Sanierung solcher Objekte, allem Mut zusammen und macht sich auf den Weg?

Christian von Oheimb hat, wie er erzählt, gemeinsam mit seiner Frau Wencke eine zwar nicht enge, aber doch dauerhafte Beziehung zu Walkenried, und eine Familienfeier führte beide vor Jahren in das dem Torbogen benachbarte Lokal. Von dort fielen ihre kundigen Blicke – nein, nicht auf den Torbogen, sondern auf das schräg gegenüberliegende Hospital. Hmmh, da könnte man doch was draus machen. War aber gerade verkauft worden. Den Torbogen konnten sie ja gar nicht sehen, der lag um die Ecke. Aber kurz darauf kam der Anruf: Du, das ist noch ein Objekt, das Obere Klostertor, wäre das nicht was? Und ob! Oheimbs haben schon mehrere alte Bauten zu neuem Leben erweckt, und das Klostertor begann sie zu interessieren. Sehr sogar. Und am Ende hat es, wie erwähnt, mit leichtem Nachschub auch über die örtliche Tageszeitung („wir berichteten“), geklappt.

Durchfahrt bleibt, Durchgang auch

Der Torbogen liegt den Walkenriedern am Herzen, das wurde schon erwähnt. Natürlich auch als Abkürzung von oben nach unten oder umgekehrt. Und da taten sich sogleich Befürchtungen auf. Der macht doch den Bogen dicht! Macht er nicht, Durchfahrt und Durchgang bleiben bestehen, und über dem Äußeren wacht der Denkmalsschutz. Diese Veränderung des Torbogens wird jedenfalls eine, welche – im Gegensatz zum Gefängnisumbau – die Substanz ausgesprochen behutsam behandelt. Die wahren Veränderungen spielen sich, freilich auch hier unter Wahrung bestimmter Auflagen, innen ab. Von Oheimb sieht vor seinem geistigen Auge bereits die glücklichen Ferienwohnungsgäste am frühen Morgen die Fenster aufstoßen (Blumen hängen dann da auch wieder), um den Blick auf das Kloster zu genießen. Dann geht es mit wenigen Schritten zum Bäcker oder zum Schlachter, Frühstück holen. Vielleicht läuten die Glocken. Vielleicht winkt der benachbart wohnende Pfarrer von unten herauf und wünscht guten Morgen. In Walkenried gibt es eigentlich nur gute Morgen. Abends genießt man in einem benachbarten Lokal einen Wein oder ein Bier… Für die umliegende Infrastruktur können die Oheimbs nicht auch noch sorgen, aber das sollte inmitten des Weltkulturerbes eigentlich kein Thema sein.

Karen Ruppelt jedenfalls, die für die GLC um Gäste für Walkenried bemüht ist, freut sich: „Mit dem Torbogen bekommen wir ein neues Highlight und sehen, wie die breite Palette der Unterkünfte in Walkenried um ein äußerst interessantes Objekt bereichert wird. Das kann dem Ort nur guttun.“ Das sieht Bürgermeister Lars Deiters übrigens genauso: „Walkenried muss eine Top-Adresse bei der Wahl des Urlaubsortes sein. Wir haben beste Voraussetzungen, ein tolles Kloster, ein pittoreskes Unterkloster, eine herrliche Landschaft ringsum, die Klosterteiche, den Priorteich, nicht zuletzt eine hervorragende Anbindung mit Bahn und Bus. Für das intakte Ortsbild müssen wir selber sorgen, und das tun wir auch. Klostermarkt, Weihnachtsmarkt, Klosterkonzerte… das alles ergibt ein rundes Bild, welches in dieser Kombination durchaus seinesgleichen sucht.“ Etwas Sorgen bereitet nicht nur ihm der Leerstand. „Gut für den Torbogen, dass die von Oheimbs zugegriffen haben. Hoffen wir, dass eines Tages auch das Hospital wachgeküsst werden wird…“. Natürlich, so Deiters, hätte man sich auch eine andere Nutzung vorstellen können. Ideen gab es schon: Museum, Sommerwohnung für einen Poeten, der dafür etwas über Walkenried schreibt. Aber die Finanzlage der Kommune lässt auf Jahre hinaus keine großen Sprünge zu, und auch besser dastehende Dritte wie die Braunschweig-Stiftung sahen letztlich keine Möglichkeiten. „Unter den obwaltenden Umständen“, meint Ortsbürgermeister Michael Reinboth, „ist dies eine optimale Lösung.“

Nutzung ab Sommer 2023

Jetzt steht der Torbogen erst einmal innen vollkommen leer da. Schwer vorstellbar, wie die Ferienwohnungen hier einmal aussehen werden. Für uns – nicht für die Oheimbs. Wann wird es denn soweit sein? Christian von Oheimb bleibt vorsichtig: „Auch wir kämpfen mit fehlendem Material und steigenden Kosten. Wir peilen den Sommer 2023 als Zeitpunkt einer ersten Nutzung an.“

„Wir Walkenriederinnen und Walkenrieder drücken ihm jedenfalls die Daumen. Die Kommune als Eigentümer hätte selbst bei gutem Willen ein solches Projekt nicht stemmen können. Die jetzt gefundene Lösung ist somit das Beste, was dem alten Mauerwerk passieren konnte. Möge es viele junge Menschen und Familien als Quartier begeistern“ meint Michael Reinboth.

Ausstellung zur Eröffnung geplant

Dem Walkenrieder Geschichtsverein liegt der Torbogen natürlich auch sehr am Herzen. Und weil man sich dort über die Nachnutzung eines für Walkenried ortsbildprägenden Gebäudes freut, nimmt man die Eröffnung zum Anlass, eine kleine Ausstellung zu planen. Titel: „Der Walkenrieder Torbogen einst und jetzt“. Er ist ja oft gezeichnet, gemalt oder fotografiert worden, angefangen von Rösel über Karl Helbing bis zu Walther Reinboth und vielen anderen. Wer in Walkenried ein schönes altes Bild vom Torbogen hat, der kann sich jetzt schon gern bei Michael Reinboth melden. Ob sich dabei auch noch Bilder vom Umbau 1951 finden? Jedenfalls haben sich die damals Tätigen auf einem Zettel verewigt, das sich jetzt bei den Bauarbeiten fand: Erich Markwitz, Günter Burgdorf und Rudi Gabriel…

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Über Christian Reinboth

http://www.christian-reinboth.de

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