Zeichnungen und Aquarelle von Walther Reinboth in der Gemeindebücherei Walkenried
Walther Reinboth sen. verstarb vor mehr als 30 Jahren und hinterließ als sein Lebenswerk nicht nur die Ergebnisse seiner Heimatforschungen, sondern auch eine umfangreiche Sammlung von Gemälden, Skizzen, Zeichnungen, kolorierten Zeichnungen und Aquarellen. Sein Enkel Michael hat diese nun zusammen mit dem Urenkel Christian gesichtet, geordnet und katalogisiert. Rund 140 Blätter unterschiedlicher Größen sind dabei als erhaltenswert eingestuft worden, die, von Ausnahmen abgesehen, in drei Kategorien eingeteilt werden können.
Walkenried und der Südharz
Dieser Teil umfasst rund 40 Zeichnungen und Aquarelle mit sehr unterschiedlichen Motiven: Gebäude wie das Kloster sind dabei, die Klosterteiche und die Walkenrieder Landschaft, die alte Wiedabrücke oder einfach nur ein Straßenzug wie der Hohe Weg. Aus der Umgebung stechen sehr schöne Darstellungen der Südharzer Landschaft und des Oberharzes heraus. Die Bilder entstanden in einem Zeitraum von ca. 1930 bis 1960.
Nordhausen und Umgebung
Dieser Teil der Sammlung umfasst ebenfalls rund 40 Bilder, deren Erstellung ausschließlich vor 1945 liegt, weil Walther Reinboth danach nicht mehr nach Nordhausen zurückgekehrt ist. Hier ist es gelungen, den Nordhäuser Geschichtsverein und das Stadtarchiv für die Aufbewahrung zu gewinnen. Die Nordhausen-Sammlung ist somit komplett in guten Händen.
Reisen und Krieg
Walther Reinboth war als Vertreter der Südharzer Gipsindustrie vor und nach dem Krieg sehr viel unterwegs – vor 1945 in Westfalen, in der Provinz Sachsen, im Sudetenland und in Ostpreußen, nach 1945 unter anderem in der Oberpfalz. Überall hatte er Block und Stift dabei, und so finden sich Motive aus Dortmund, aus Paderborn, aus dem Samland bei Königsberg, aus dem Egerland, Zeichnungen aus der Adersbacher Felsenstadt… Während des Krieges wurde er für einen einwöchigen Studien-Aufenthalt in Rothenburg ob der Tauber ausgewählt und hat diese Stadt in zahlreichen wunderbaren Zeichnungen erfasst. Als Soldat war auf dem Balkan und auf dem Rückzug durch Slowenien und die Hohen Tauern unterwegs und vergaß auch hier nie seine Malutensilien, weswegen wir über einige sehr schöne Darstellungen aus dem Sanntal und aus den Tauern verfügen.
Im Archiv des Geschichtsvereins und in der Walkenrieder Gemeindebücherei werden nun bis Weihnachten die Walkenried-Zeichnungen und -Aquarelle gezeigt. Sie sind alle im Urzustand, also nicht gerahmt, aber sämtlich in sehr gutem Zustand. Wer sich die Bilder ansehen oder gar eines erwerben möchte, der kann dies jeden Dienstag und Mittwoch zwischen 15 und 17 Uhr tun. Dann besteht auch Gelegenheit, den Stapel Nummer drei durchzuschauen.
(von Fritz Reinboth)
Ein bekannter Künstler und Zeichner in Braunschweig war WILHELM KRIEG, geboren am 21. Januar 1911. Als Oberstudiendirektor war er 1961 bis 1973 Leiter des Lessinggymnasiums in Braunschweig. Bekannt wurde er aber vor allem durch Landschaftszeichnungen in zahlreichen Büchern, z. B. 1961 über den Elm. Auch für die Kreisbeschreibung des wenig später aufgelösten niedersächsischen Landkreises Blankenburg wurde er 1970 herangezogen und lieferte eine Reihe Zeichnungen aus dessen Ortschaften. Bei dieser Gelegenheit lernte er in Walkenried den Heimatforscher Walther Reinboth kennen, bei dem er sich wahrscheinlich nach geeigneten Motiven in Walkenried erkundete.
Offenbar wies ihn Reinboth auf die „Zwergenkirche“ auf dem Sachsenstein hin, wofür sich Krieg im November 1970 mit einer Handskizze mit einem Zwerg vor einem Zwergloch – natürlich ebenfalls die Zwergenkirche – bedankte. So kam es, dass die Zwergenkirche auf dem Sachsenstein in der Kreisbeschreibung vertreten ist, wenn auch „nur” als Zeichnung. Die größere Waldschmiede im Blumenberg war ja seit 1966 nach und nach zusammengestürzt.
Außer der Zwergenkirche zeichnete Krieg für Walkenried die Kirchenruine, das Klostertor mit der damals noch gesunden Kastanie und die Schäferbrücke sowie in Unterzorge als kleine Kuriosität des alten Kreises Blankenburg den dreieckigen Wegweiserstein.
Wilhelm Krieg ist am 29. November 2001 im Alter von 90 Jahren verstorben.
(von Michael Reinboth)
Der Walkenrieder „Torbogen“ heißt ja eigentlich „Oberes Klostertor“, aber im Klosterort kennt man ihn seit Jahr und Tag unter dem Begriff „Torbogen“, und als solcher liegt er den Walkenriederinnen und Walkenriedern seit jeher sehr am Herzen. Nicht nur deswegen, weil er – in Teilen – das älteste noch stehende Bauwerk im Ort ist, romanischen Ursprungs und somit deutlich älter als die Klosteranlage selbst, sondern weil er bei unzähligen Veranstaltungen als prachtvolle Kulisse für Fackel-, Fest- oder Kinderumzüge diente und dient, weil er, weihnachtlich geschmückt, ein schönes Bild abgibt und im Sommer mit viel Blumenpracht zum Besuch des Unterklosters einlädt.
Ob er in diesem oder in den nächsten Jahren weihnachtlich erstrahlt, das hängt unter anderem vom weiteren Verlauf der Energiekrise ab. Blumenschmuck trägt er dieses Jahr nicht, und Familie Krüger muss auch nicht hinaufeilen, um zu gießen, denn der Torbogen ist eine Großbaustelle geworden. Jedermann konnte beobachten, wie das Bauwerk „entkernt“ wurde, seit kurzem kann jedermann auch ein Schild studieren, welches auf die Ferienwohnungen hinweist, welche hier in Kürze entstehen und dann hoffentlich viele weitere Gäste nach Walkenried locken werden. Und das alles in bester Abstimmung mit dem Denkmalschutz, welcher hier ein Gebäude dadurch schützt, dass seine weitere Nutzung und damit Erhaltung unterstützt wird. Ein Glücksfall.
Auch für die Gemeinde Walkenried, der man ja seitens des Landkreises gern den überhöhten Bestand an Immobilien um die Ohren schlägt. Hier ist es gelungen, ein für das Ortsbild maßgebliches und für die Geschichte ungeheuer wichtiges Objekt an einen verständigen und engagierten Käufer zu veräußern. Manch einer aus dem Rat musste hierbei zwar mühsam überzeugt werden, aber am Ende hat es funktioniert.
Der Torbogen hat schon einiges erlebt in seiner mehr als 800 Jahre währenden Geschichte. So, wie er heute vor uns steht, sieht er ja erst nach seinem im 18. Jahrhundert erfolgten Umbau zu einer Polizeikaserne nebst Gefängnis für das benachbarte Amtsgericht in der „Alten Drostei“ aus. Und die beiden so ganz romanisch wirkenden Fußgängerpforten sind ja noch sehr viel jünger. Dafür verschwand eine Seite des zwingerartigen Mauerwerks zugunsten des Saales vom „Goldenen Löwen“, dem heutigen KlosterHotel. Und die Torkapelle gibt es auch nicht mehr. Wer genau hinschaut, entdeckt aber eben doch eigentlich romanische Elemente. Wer es ganz genau wissen will, der sollte sich die Schrift über die Geschichte des Torbogens von Fritz Reinboth zulegen. Da steht alles drin.
Beherbergung war schon immer ein Stichwort für den Torbogen, wurden doch hier dereinst Pilger empfangen und verköstigt, bevor sie weiterzogen. Frauen durften nur an dieser einen Stelle einen Fuß breit in das Kloster setzen. Für sie und alle anderen Durchreisenden stand die Torkapelle zum Beten und Andacht halten zur Verfügung, und der „Bruder Pförtner“ sorgte für Speis, Trank und Ordnung.
Torbogen: Die Liebe auf den zweiten Blick
Nun geht der Torbogen einer neuen Etappe seines langen Daseins entgegen. Der neue „Bruder Pförtner“ kommt aus der Nähe von Hannover, heißt Christian von Oheimb und ist der stolze Bauherr, bei der Arbeit unterstützt von Wolfgang Probst, dem als Walkenrieder der Torbogen natürlich sehr am Herzen liegt. Aber wie kam es dazu? Wieso verguckt sich jemand aus der stolzen Welfenmetropole (oder jedenfalls aus deren Nähe) in ein altes Walkenrieder Gemäuer? Und wieso nimmt er dann, im Wissen um die Tücken bei der Sanierung solcher Objekte, allem Mut zusammen und macht sich auf den Weg?
Christian von Oheimb hat, wie er erzählt, gemeinsam mit seiner Frau Wencke eine zwar nicht enge, aber doch dauerhafte Beziehung zu Walkenried, und eine Familienfeier führte beide vor Jahren in das dem Torbogen benachbarte Lokal. Von dort fielen ihre kundigen Blicke – nein, nicht auf den Torbogen, sondern auf das schräg gegenüberliegende Hospital. Hmmh, da könnte man doch was draus machen. War aber gerade verkauft worden. Den Torbogen konnten sie ja gar nicht sehen, der lag um die Ecke. Aber kurz darauf kam der Anruf: Du, das ist noch ein Objekt, das Obere Klostertor, wäre das nicht was? Und ob! Oheimbs haben schon mehrere alte Bauten zu neuem Leben erweckt, und das Klostertor begann sie zu interessieren. Sehr sogar. Und am Ende hat es, wie erwähnt, mit leichtem Nachschub auch über die örtliche Tageszeitung („wir berichteten“), geklappt.
Durchfahrt bleibt, Durchgang auch
Der Torbogen liegt den Walkenriedern am Herzen, das wurde schon erwähnt. Natürlich auch als Abkürzung von oben nach unten oder umgekehrt. Und da taten sich sogleich Befürchtungen auf. Der macht doch den Bogen dicht! Macht er nicht, Durchfahrt und Durchgang bleiben bestehen, und über dem Äußeren wacht der Denkmalsschutz. Diese Veränderung des Torbogens wird jedenfalls eine, welche – im Gegensatz zum Gefängnisumbau – die Substanz ausgesprochen behutsam behandelt. Die wahren Veränderungen spielen sich, freilich auch hier unter Wahrung bestimmter Auflagen, innen ab. Von Oheimb sieht vor seinem geistigen Auge bereits die glücklichen Ferienwohnungsgäste am frühen Morgen die Fenster aufstoßen (Blumen hängen dann da auch wieder), um den Blick auf das Kloster zu genießen. Dann geht es mit wenigen Schritten zum Bäcker oder zum Schlachter, Frühstück holen. Vielleicht läuten die Glocken. Vielleicht winkt der benachbart wohnende Pfarrer von unten herauf und wünscht guten Morgen. In Walkenried gibt es eigentlich nur gute Morgen. Abends genießt man in einem benachbarten Lokal einen Wein oder ein Bier… Für die umliegende Infrastruktur können die Oheimbs nicht auch noch sorgen, aber das sollte inmitten des Weltkulturerbes eigentlich kein Thema sein.
Karen Ruppelt jedenfalls, die für die GLC um Gäste für Walkenried bemüht ist, freut sich: „Mit dem Torbogen bekommen wir ein neues Highlight und sehen, wie die breite Palette der Unterkünfte in Walkenried um ein äußerst interessantes Objekt bereichert wird. Das kann dem Ort nur guttun.“ Das sieht Bürgermeister Lars Deiters übrigens genauso: „Walkenried muss eine Top-Adresse bei der Wahl des Urlaubsortes sein. Wir haben beste Voraussetzungen, ein tolles Kloster, ein pittoreskes Unterkloster, eine herrliche Landschaft ringsum, die Klosterteiche, den Priorteich, nicht zuletzt eine hervorragende Anbindung mit Bahn und Bus. Für das intakte Ortsbild müssen wir selber sorgen, und das tun wir auch. Klostermarkt, Weihnachtsmarkt, Klosterkonzerte… das alles ergibt ein rundes Bild, welches in dieser Kombination durchaus seinesgleichen sucht.“ Etwas Sorgen bereitet nicht nur ihm der Leerstand. „Gut für den Torbogen, dass die von Oheimbs zugegriffen haben. Hoffen wir, dass eines Tages auch das Hospital wachgeküsst werden wird…“. Natürlich, so Deiters, hätte man sich auch eine andere Nutzung vorstellen können. Ideen gab es schon: Museum, Sommerwohnung für einen Poeten, der dafür etwas über Walkenried schreibt. Aber die Finanzlage der Kommune lässt auf Jahre hinaus keine großen Sprünge zu, und auch besser dastehende Dritte wie die Braunschweig-Stiftung sahen letztlich keine Möglichkeiten. „Unter den obwaltenden Umständen“, meint Ortsbürgermeister Michael Reinboth, „ist dies eine optimale Lösung.“
Nutzung ab Sommer 2023
Jetzt steht der Torbogen erst einmal innen vollkommen leer da. Schwer vorstellbar, wie die Ferienwohnungen hier einmal aussehen werden. Für uns – nicht für die Oheimbs. Wann wird es denn soweit sein? Christian von Oheimb bleibt vorsichtig: „Auch wir kämpfen mit fehlendem Material und steigenden Kosten. Wir peilen den Sommer 2023 als Zeitpunkt einer ersten Nutzung an.“
„Wir Walkenriederinnen und Walkenrieder drücken ihm jedenfalls die Daumen. Die Kommune als Eigentümer hätte selbst bei gutem Willen ein solches Projekt nicht stemmen können. Die jetzt gefundene Lösung ist somit das Beste, was dem alten Mauerwerk passieren konnte. Möge es viele junge Menschen und Familien als Quartier begeistern“ meint Michael Reinboth.
Ausstellung zur Eröffnung geplant
Dem Walkenrieder Geschichtsverein liegt der Torbogen natürlich auch sehr am Herzen. Und weil man sich dort über die Nachnutzung eines für Walkenried ortsbildprägenden Gebäudes freut, nimmt man die Eröffnung zum Anlass, eine kleine Ausstellung zu planen. Titel: „Der Walkenrieder Torbogen einst und jetzt“. Er ist ja oft gezeichnet, gemalt oder fotografiert worden, angefangen von Rösel über Karl Helbing bis zu Walther Reinboth und vielen anderen. Wer in Walkenried ein schönes altes Bild vom Torbogen hat, der kann sich jetzt schon gern bei Michael Reinboth melden. Ob sich dabei auch noch Bilder vom Umbau 1951 finden? Jedenfalls haben sich die damals Tätigen auf einem Zettel verewigt, das sich jetzt bei den Bauarbeiten fand: Erich Markwitz, Günter Burgdorf und Rudi Gabriel…
Die vom Klosterschüler Johann Heinrich Hofmann im Jahr 1661 in Celle publizierte und seinem Landesherrn (und Administrator des Klosters) Christian Ludwig von Braunschweig-Lüneburg gewidmete Chronik galt nach ihrer Vernichtung in den hannoverschen Bombennächten 1943 als verloren. Lediglich einige Notizen des geschichtlich interessierten Domänenpächters Gustav Schmid aus dem Jahr 1883 hatten sich erhalten. 2002 jedoch stieß Fritz Reinboth vom Walkenrieder Geschichtsverein auf einen Hinweis, wonach sich zumindest eine Teilabschrift der Chronik in der Bibliothek der Martin-Luther-Universität in Halle befinden würde. Bereitwilliges Entgegenkommen der Hallenser ermöglichten dem Geschichtsverein zunächst eine Publikation der lateinischen Originalfassung dessen, was noch verfügbar ist – Hofmann hat von geplanten 10 Bänden nur deren drei fertiggestellt, und von diesen drei Bänden existiert in etwa die Hälfte. So jedenfalls der heutige Stand der Dinge.
Ein Wunsch war es natürlich, die Chronik in die deutsche Sprache zu übertragen und so einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dieser recht schwierigen Aufgabe haben sich der Kölner Altphilologe Karl-Heinz Holtheuer und, dessen Übersetzung um lokale Besonderheiten ergänzend, Fritz Reinboth unterzogen. Das Ergebnis ist eine – um die Schmidschen Fragmente angereicherte – rund 120 Seiten starke Schrift, die als Nummer 53 der Schriftenreihe des Geschichtsvereins im Papierflieger-Verlag Clausthal-Zellerfeld erscheint und heute symbolisch der Museumsleiterin Wendy Eixler als heutiger Hausherrin des Klosters Walkenried übergeben worden ist. Die Schrift ist zum Preis von 10 Euro sowohl im Museumsshop als auch beim Geschichtsverein erhältlich.
Ihr Studium ist, was die Entstehungsgeschichte des Klosters, sein Wachstum und seine 1525 einsetzende Zerstörung betrifft, sehr aufschlussreich und ergänzt die Chroniken von Letzner, Eckstorm und Leuckfeld um einige neue Aspekte. Immerhin war Hofmann ja selber Schüler der damals berühmten Klosterschule und kannte das Kloster im damaligen teilzerstörten Zustand sehr gut. Freilich schreibt Hofmann (der gelegentlich auch als „Hoffmann“ firmiert, so genau nahm man es damals noch nicht) im Stil seiner Zeit, also barock im wahrsten Sinne des Wortes: Weit ausholend, mit recht verschachtelten Sätzen – man muss sich schon etwas konzentrieren. Wer im SMS-Zeitalter groß geworden ist, dem mag allein die einleitende Eloge auf Christian Ludwig als zeitraubend vorkommen. Aber das gehörte damals eben dazu, und ob mancher heutige Smartphone-Dialog gehaltsreicher ist, darüber kann man durchaus philosophieren. Auch geht Hofmann sehr ausführlich auf die vorklösterliche Historie unseres Landstrichs ein, widmet sich unter anderem den vorchristlichen Götzen Crodo und Püsterich, die heute noch in Bad Harzburg und Sondershausen ihr Unwesen treiben. Gleichwohl bietet er uns eine Fülle von Lesestoff zum Kloster – nicht zuletzt auch deswegen, weil er im Unterschied zu anderen Chronisten Zugang zu den Originalurkunden des Klosters hatte.
Schade eigentlich, dass Hofmann nur drei von zehn Büchern fertigstellen konnte. Noch bedauerlicher, dass hiervon wiederum nur gut 50 % überdauert haben. Aber Dank des Engagements des Vereins für Heimatgeschichte sind jedenfalls diese nun dauerhaft der Nachwelt erhalten und bereichern die ja recht umfangreiche Klosterliteratur um ein für jedermann erschwingliches Dokument.
Der Name „Münchhausen“ wird üblicherweise mit dem „Lügenbaron“ in Verbindung gebracht. Wenn nun von einem Münchhausen im Klosterort gesprochen wird, dann muss man keine Bedenken haben, dass im nächsten Augenblick Hans Albers auf einer Kanonenkugel um die Ecke geritten kommt. Obschon dies eine weitere touristische Attraktion wäre! Diese jedoch bleibt Bodenwerder an der Weser weiter allein vorbehalten, denn der oder vielmehr die Walkenrieder Münchhausens entstammen einer anderen, der „weißen“ Linie dieses recht weit verbreiteten Geschlechts, während der große Geschichtenerzähler der „schwarzen“ Linie zuzurechnen ist.
Das alles und mehr hat Fritz Reinboth in Wolfenbüttel und im – sehr gut sortierten – Archiv des Walkenrieder Geschichtsvereins ausgegraben oder, korrekt, wieder erschlossen, denn im Grunde war ja die Existenz des Drosts Heinrich Burchard von Münchhausen in Walkenried ja schon bekannt, aber etwas in den Hintergrund geraten ob all der vielen Promis, die sich einst im Kloster die Klinke in die Hand gaben, Heinrich der Löwe und sein Sohn Kaiser Otto der Vierte vorneweg. Zu Münchhausens Zeit war das Kloster bereits Geschichte, aber sein Wirken in Walkenried wäre ohne dessen Existenz nicht denkbar – das Kloster wirkte ja noch einige hundert Jahre nach und tut es im Grunde bis heute. So eben auch bei ihm.
Der „Klosterhof“ als Dreh- und Angelpunkt
Anlass zur erneuten und vertieften Befassung mit dem „Walkenrieder Münchhausen“ war die Frage, wie alt der „Klosterhof“, heute im Besitz der Familie Nitz, denn nun wirklich ist. Auf dem bekannten Rieseschen Riss des Unterklosters von 1723 ist er unter der Nummer 36 als „Frh. von Munchhausen Hauß“ eingetragen, und dieser – das mit dem Freiherrn-Titel ist übrigens fraglich, da die „weiße Linie“ ihn nicht immer führte – ist auch der Erbauer des heute noch stehenden, allerdings von Werner Emmelmann um eine Veranda ergänzten Gebäudes. Da Münchhausen 1693 als „Drost“ nach Walkenried kam und dort 1717 verstarb, muss es in jener Zeit errichtet worden sein. In dem von ihm selbst erstellten „Erbzinsregister“ des Stiftsamts Walkenried ist es – im Gegensatz zur heutigen Pfarrei – noch nicht erwähnt, so dass man es auf etwa 1711 bis 1717 eingrenzen kann. Der „Klosterhof“ ist also, vom Torbogen und Kloster natürlich abgesehen, fraglos eines der ältesten Gebäude des Ortes. Von der Erwähnung her hat da die „Stiftsschenke“ die Nase vorn, von der vorhandenen Bausubstanz her kommt aber allenfalls noch das Pfarrhaus mit, welches laut Erbzinsregister der Förster Weinschenck erbauen ließ. Sie steht da schon drin, der Klosterhof aber noch nicht. Hotel, also „Klosterhof“ im eigentlichen Sinne, ist es erst seit 1897, als der Müller Christoph Presse es erwarb und entsprechend umbaute. Münchhausen errichtete es als sein Wohnhaus, lange vor dem „Hospital“, welches da erst seit 1750 steht. Das zuvor von ihm genutzte „Herrenhaus“ ist nicht das heutige, erst im 19. Jahrhundert erbaute, sondern dessen Vorgänger, der auf dem heutigen Klostervorplatz gegenüber dem Westportal des Klosters stand und 1857 abgerissen wurde, nachdem der Domänenpächter Paulsen 1855 in das neue Herrenhaus umgezogen war.
Münchhausen – ein kleines Finanzgenie?
Es ist heute „en vogue“, frühere Vorgänge mit heutigen Begriffen zu belegen, um sie anschaulicher zu machen. Das kann man im ZisterzienserMuseum gut beobachten, wo die zisterziensische Klosterfamilie gern als „weißer Konzern“ bezeichnet wird, mit Bilanzen und allem drum und dran. Heinrich Burchard von Münchhausen muss diesbezüglich aber wirklich gut drauf gewesen sein, denn er war 1693 in der Lage, seinem Landesherrn, dem Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, locker 165.000 Taler für die Wiedereinlösung des Stiftsamts Walkenried aus Gothaischer Verpfändung zur Verfügung zu stellen. Wohlgemerkt: Der Herzog wollte Walkenried wieder einlösen, hatte das Geld aber nicht – Münchhausen hingegen schon! Als „Belohnung“ wurde er, der zuvor Amtmann in Stiege war, Drost, also ebenfalls Amtmann, in Walkenried und blieb es bis zu seinem Tod 1717. Solch eine Drosten- oder Amtmannsstelle muss also finanziell durchaus lukrativ gewesen sein und dem Inhaber einige Einkünfte gesichert haben. Er war auch anderweitig wirtschaftlich aktiv, erwarb in Gatterstädt bei Querfurt zwei große Güter und war auch „Gewerke“, also Teilhaber der Zinnoberzeche in Wieda. Dieses Engagement freilich erwies sich als, neudeutsch formuliert, „Flop“ für ihn wie auch seinen ebenso beteiligten Verwandten, den Kammerherrn Hieronymus von Münchhausen aus Wolfenbüttel.
Münchhausen war zwei Mal verheiratet, seine beiden 1710 und 1716 verstorbenen Gattinnen wurden in Walkenried beigesetzt. Er übrigens auch, und zwar – gegen seinen ausdrücklichen Willen – im Kapitelsaal des Klosters. Aus der ersten Ehe gingen drei Töchter und drei Söhne hervor. Eine verwitwete Tochter von ihm wohnte bis zu ihrem Tod 1742 im „Klosterhof“, eine andere unverheiratete Tochter, Agnes Margarete, von 1730 bis 1756 im Jagdschloss. Die Söhne verschlug es nach Gatterstädt, die Familie ist dort bis 1799 nachzuweisen.
In Walkenried gab es Münchhausens demnach rund 70 Jahre, ganz ohne Pferd am Kirchturm oder sausende Kanonenkugeln. Eine der bekannten faustdicken Lügen kann man aber, quasi als weit gefasstes Erbe der Münchhausen-Sippe, durchaus auf Walkenried beziehen: Die Kunst, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen.
Wäre das nicht ein guter Vorsatz zu Beginn des neuen Jahres 2022? Rat und Verwaltung können sich da in Münchhausens Nachfolge Verdienste erwerben. Das „Unterkloster“ hingegen ist gewiss noch für manche Geschichte gut. Und der Geschichtsverein wird da dran bleiben, ganz sicher.