Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs – des wohl entscheidenden historischen Ereignisses des 20. Jahrhunderts – jährt sich in diesem Sommer bekanntlich zum 100. Mal. Anlässlich dieses wichtigen Jahrestages haben wir hier in den „Walkenrieder Nachrichten“ unsere Leserinnen und Leser schon im vergangenen Jahr dazu aufgerufen, nach Familienerbstücken aus der Zeit um 1914-1918 zu fahnden – ein Aufruf, den wir an dieser Stelle gerne wiederholen. Parallel dazu arbeiten wir in der Ortsgeschichtlichen Sammlung Walkenried an der Zusammenstellung einer Sonderausstellung zu den Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf Walkenried und Umgebung, mit der wir in der zweiten Jahreshälfte 2014 starten wollen. Alle interessierten Walkenriederinnen und Walkenrieder können sich an dieser Ausstellung sehr gerne mit eigenen Erinnerungsstücken beteiligen (E-Mail genügt). An diesem Wochenende gerade neu bei uns eingetroffen sind beispielsweise verschiedene Geldscheine und Münzen aus den Jahren 1914-1918, von denen nachfolgend einige gezeigt werden.
Dieser Geldschein mit dem Nennwert von 20 Mark wurde am 19. Februar 1914 durch die Deutsche Reichsbank ausgegeben.
Dieser Geldschein mit dem Nennwert von 20 Mark wurde am 4. November 1915 durch die Deutsche Reichsbank ausgegeben.
Am 28. Juni 1914 erschoss der neunzehnjährige bosnische Serbe Gavrilo Princip in Sarajevo den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie. Dieses Attentat löste die sogenannte Julikrise aus, die letztendlich im Ausbruch des Ersten Weltkriegs gipfelte, der bis zu seinem Ende im Jahr 1918 mehr als 17 Millionen Menschenleben fordern sollte. Am 28. Juni 2014 – also in etwas mehr als einem Jahr – wird sich dieses entscheidende Ereignis der europäischen Geschichte zum einhundertsten Mal jähren.
Anlässlich dieses Jahrestages ruft die Europeana – eine EU-Initiative zur Bewahrung des europäischen Kulturerbes – Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa dazu auf, ihre Keller und Dachböden nach familiären Erinnerungsstücken an die Zeit des Ersten Weltkriegs zu durchsuchen. Die Historiker der Europeana wollen auf diesem Weg ermitteln, wie viele originale Fotografien, Feldpostkarten, Briefe, Tagebücher und andere Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg noch in den europäischen Haushalten zu finden sind. Interessante Funde können fotografiert oder eingescannt und – versehen mit einer kurzen Beschreibung – per Internet an die EU-Experten versandt werden, die sie dann begutachten und historisch bewerten. Alle authentischen Funde finden Eingang in die Europeana-Datenbank „1914 – 1918“, mit der nach und nach eine “Familiengeschichte“ des Ersten Weltkriegs geschaffen werden soll, die nicht nur Geschichtsfreunden der Gegenwart, sondern vor allem den nachfolgenden Generationen neue und wertvolle Einblicke in die Schrecken und Wirrnisse des ersten industriell geführten Menschheitskrieges gestatten soll.
Die beiden Brüder Friedrich (links) und Carl Reinboth (rechts) in einer Aufnahme aus dem Jahr 1914. Friedrich trägt die Paradeuniform des Husaren-Regiments Landgraf Friedrich II von Hessen-Homburg (2. Kurhessisches) Nr. 14, in dem er während des Ersten Weltkriegs diente.
Dass auch einer meiner Verwandten – mein Urgroßonkel Friedrich Reinboth – im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte und 1918 nicht wieder aus der Ukraine ins heimatliche Nordhausen zurückgekehrt war, war mir aus vielen familiären Geschichtserzählungen bereits bekannt gewesen – wie viele Briefe, Postkarten, Fotos und andere Erinnerungsstücke an diese Zeit aber noch existierten wurde mir dagegen erst bewusst, nachdem ich meine Großeltern vor eineinhalb Jahren auf den Aufruf der Europeana angesprochen hatte. Tatsächlich fanden sich in Keller und Dachboden des Hauses im Hohen Weg nicht nur zahlreiche Postkarten und Briefe, sondern auch Zeichnungen, Führungszeugnisse und andere militärische Dokumente sowie eine ganze Reihe handschriftlich geführter Feldtagebücher aus Friedrich Reinboths siebenjähriger Zeit als Husar im 2. Kurhessischen Regiment „Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg“. Inzwischen sind immerhin schon zwölf dieser familiären Erinnerungsstücke in die Europeana aufgenommen worden – und ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn bis 2014 noch viele weitere Einreichungen anderer Walkenrieder hinzukämen.
Eines von drei Kriegstagebüchern von Friedrich Reinboth, der während des Ersten Weltkriegs im in Kassel stationierten Husaren-Regiment Landgraf Friedrich II von Hessen-Homburg (2. Kurhessisches) Nr. 14 diente.
Schließlich wird es auch in zahlreichen anderen Walkenrieder Haushalten noch Erinnerungsstücke an die Jahre zwischen 1914 und 1918 geben, die den Bestand der Europeana ergänzen könnten. Wie man digitale Fotografien, eingescannte Dokumente und begleitende Erklärungstexte bei der Europeana einreichen kann, wird hier ausführlich erläutert. Sollte es Walkenriederinnen und Walkenrieder geben, die sich mit Familienerinnerungen am Projekt beteiligen wollen, mit der technischen Seite der Einsendung jedoch noch Schwierigkeiten haben, stehe ich per E-Mail unter der E-Mail-Adresse christian.reinboth@gmx.de sehr gerne für Fragen zur Verfügung. Bei Bedarf und Interesse ließe sich sicher an einem Wochenende auch einmal ein „Europeana-Tag“ in der Walkenrieder Gipsausstellung organisieren, an dem Scanner, Digitalkamera und Internetanschluss nebst geschulter Hilfe zur Vefügung stünden. Wer Interesse an einer solchen Veranstaltung hat, kann sich ebenfalls gerne unter der bereits angegebenen E-Mail bei mir melden.
Der erste Eintrag ins Kriegstagebuch von Friedrich Reinboth vom 29.07.1914 – zwei Tage vor der Mobilmachung – verdeutlicht den Irrsinn des von den Militärs aller Seiten geradezu herbeigejubelten Krieges: „Abgabe der älteren Garnituren und Empfang der Kriegsgarnitur. Das Leben innerhalb der Kaserne wird kritisch. Die Begeisterung für den bevorstehenden Krieg steigert sich.“
Darüber hinaus kann ich allen geschichtsinteressierten Leserinnen und Lesern natürlich nur ans Herz legen, die bereits heute schon äußerst umfangreiche Sammlung der Europeana einmal zu durchsuchen. Hier finden sich hochinteressante Exponate wie beispielsweise dieses Tagebuch einer britischen Krankenschwester mit Unterschriften aller von ihr betreuten Verwundeten, diese Ausgeherlaubnis für einen Tiroler Infanteristen aus dem Jahr 1914 oder auch diese Postkarte aus einem Prager Verwundetenspital aus dem Jahr 1916.
Arbeiten wir also gemeinsam daran, dass die Erinnerungen auch und gerade an die ganz persönlichen und familiären Schicksale dieses zerstörerischen und grausamen Krieges für die nachfolgenden Generationen erhalten bleiben.