Die fortlaufenden Abbauarbeiten am Röseberg beeinträchtigen das Walkenrieder Landschaftsbild allen Bemühungen um Sicht- und Lärmschutz zum Trotz weiterhin sehr deutlich. Am sichtbarsten ist dies dort, wo der Gipsabbau inzwischen beendet worden ist: „Röseberg Mitte“ ist eine öde graubraune Zone. Doch es tut sich etwas. Michael Reinboth und Claus Berger hatten vor einigen Tagen Gelegenheit, mit Matthias Andreß, dem Leiter der Steinbruchbetriebe bei Saint Gobain Formula (also der „Kutzhütte“), die eingestellten und aktiven Abbaubereiche im Röseberg zu begutachten.
Nach dem Ende des Abbaus in „“Röseberg Mitte“ hat inzwischen der Abbau in „Röseberg Ost“ begonnen. Wo sich bis vor wenigen Monaten noch ein geschlossener Wald darbot, gähnt inzwischen bereits ein tiefes Loch. Im Unterschied zu „Mitte“ bleibt der Steinbruch hier allerdings durch die vom Abbau ausgeschlossene und naturgeschützte Steilkante des nördlichen Röseberghanges vom Ort her weitgehend unsichtbar. Auch der Lärm hält sich dank entsprechend erhöhter Wälle in Grenzen. Das muss nach den Vorstellungen der „Walkenrieder“ auch so bleiben, da sich das Abbbaufeld in den kommenden Jahren bis hin zur Kläranlage erstrecken wird und damit nicht allzu weit vom Ort und vom Kloster entfernt ist. Entsprechende „Bettlaken-Tests“ haben vor einigen Jahren gezeigt, wie sensibel gerade diese Zone ist. Der Kammweg entlang der alten Grenze zur DDR bleibt übrigens ebenso wie der freilich arg verwachsene „Myliusweg“ bestehen.
Der Abraum des ersten Feldes von „Ost“ wurde bereits weitgehend in den alten Bruch „Mitte“ umgelagert. Die „Modellierung“ des Geländes ist im Gange. Dabei wird bis spätestens Frühjahr 2018 der „Kutschweg“ zwischen Walkenried und dem Rösebergkamm wieder hergestellt, wenn auch mit einem leicht anderen Verlauf. Damit wird eine schmerzliche Lücke im Walkenrieder Wanderwege-netz wieder geschlossen, denn über den Kutschweg kommt man einerseits nach Branderode und andererseits auf den „Kolonnenweg“, über den man via Kutzhütte das Wandergebiet Sachsenstein – Spatenbornwiese erreichen kann. Diese Wege wollen die „Walkenrieder“ im kommenden Frühjahr beschildern und an geeigneten Stellen auch Bänke aufstellen.
Der Verlauf des künftigen Kutschwegs ist im Gelände bereits gut erkennbar. Freilich bedarf es noch einiger Phantasie, sich an dieser Stelle in den früher ob seiner Schönheit gepriesenen Röseberg hinein zu versetzen, doch sollen alsbald Begrünung und Baumpflanzungen erfolgen. Der Kutschweg erhält zudem einen Ableger, der etwa am Aufnahmestandpunkt beginnend durch das gesamte ehemalige Bruchgelände bis zur Ausmündung in Höhe des ehemaligen Hauses Trost (Rumpf) verläuft und in dessen Verlauf man die unterschiedlichen Stadien der Rekultivierung oder „Sukzession“ beobachten kann. Denn im westlichen Bereich wurden bereits wieder mehrere 100 Bäume gesetzt, darunter viele Kirschen, und zudem hat der natürliche Bewuchs wieder eingesetzt. Leider fehlt diesem Weg eine Fortsetzung in Richtung Höllstein – es sei denn, man scheut die ca. 200 Meter Straße bis hinauf zur Kutzhütte nicht. Hier wollen sich die „Walkenrieder“ für eine für Fußgänger geeignete Trasse einsetzen.
Seitens Formula gibt es Überlegungen, den Kolonnenweg mittels eines neuen Wegestücks über das alte „Lindau-Gelände“ mit dem Mehholz zu verbinden, was deswegen wichtig ist, weil der hinter dem Werk liegende Bereich des Waldes nun nach und nach in einen Steinbruch verwandelt werden wird, wohingegen der alte Mehholz-Bruch aufgegeben und somit ebenfalls wieder in das Wegenetz einbezogen werden kann. Ginge es nach den Vorstellungen der „Walkenrieder“, würde der alte Bruch nur sehr zurückhalten modelliert und bepflanzt werden, da sich hier schon ein recht interessantes Landschaftsbild zu entwickeln beginnt. Vor allem aber eignet sich die Spitze des grün gewordenen Abraumberges ausgezeichnet als Aussichtspunkt über den Harz bis hinauf zum Brocken. „Das alte Mehholz ist zerstört, da ist nichts mehr zu retten. Nun geht es darum, das Bestmögliche aus dem heutigen Zustand zu machen, das Relief, die Gipskante und die Tümpel zu erhalten und für den Besucher zugänglich zu gestalten“ meint Michael Reinboth, der in diesem Falle „ausnahmsweise“ Formula und den Verein in einem Boot sieht.
Übergang Röseberg-Mitte zu Röseberg-West. Neben der Bepflanzung hat hier bereits die natürliche Begrünung wieder massiv eingesetzt. Ganz anders im gerade aufgegebenen Feld Mitte. Die Steilkante des Gipses soll stehenbleiben.
Das Gewerbeaufsichtsamt Göttingen hat einem der Anwohner der Straße „Am Röseberg“ mit Schreiben vom 13. Januar mitgeteilt, dass es die dortige Wohnbebauung als Kleinsiedlungsgebiet einstuft, in welchem der Immissionsrichtwert tagsüber nicht höher als 55 db(A) sein darf. Der dahinter liegende, unmittelbar an das Siedlungsgebiet anschließende Steinbruch hingegen sei „in Anlehnung an das angrenzende Gipswerk“ eine Gewerbegebietsfläche, in der tagsüber 65 db(A) zulässig seien. Das niedersächsische Umweltministerium hat für den Einzelfall Röseberg nun entschieden, dass in dem hierdurch entstehenden Grenzbereich zwischen Wohnen und Gewerbe um eine „Gemengelage“ vorliege und hierfür einen Grenzwert von 57 bis 59 db(A) festgelegt. Dem ist das Gewerbeaufsichtsamt gefolgt und hat als Kompromiss bis zum Ende des Abbaus in „Röseberg-Mitte“ einen Grenzwert von 58 db(A) festgelegt, der von der Firma Saint Gobain Formula bzw. deren Subunternehmer, der Firma Beissner, eingehalten werden muss.
Wie das Gewerbeaufsichtsamt weiter mitteilt, habe die Firma Saint Gobain Formula zwischenzeitlich zur Einhaltung der Immissionsbegrenzung bereits einige Maßnahmen ergriffen, darunter die Reduzierung der Verladearbeiten auf eine Stunde pro Tag und die – am meisten störenden – Zerkleinerungsarbeiten auf vier Stunden pro Tag. Inwieweit die neue Festlegung hierauf noch Einfluss hat, muss abgewartet werden.
Merkwürdig mutet allerdings an, dass das Gewerbeaufsichtsamt von einem „Steinbruch in Anlehnung an das angrenzende Gipswerk“ spricht. Nach Stilllegung und Abbruch der Walkenrieder Gipsfabrik (früher Rode) grenzt seit Jahrzehnten kein Gipswerk mehr an den Steinbruch an. Zwischen dem aktiven Bruch und dem nächstgelegenen Werk „Kutzhütte“ liegen Flächen, die bereits wieder dem Naturschutz zurückgegeben worden sind. Die Kutzhütte kann mit „Anlehnung“ also eigentlich nicht gemeint sein. Die nunmehr getroffene Festlegung erlaubt natürlich den weiteren Gipsabbau am Röseberg, verschafft den Anwohnern des Rösebergs und darüber hinaus auch vielen Bewohnern des Unterklosters und der Geiersberg-Südseite aber rechtssicher erträglichere Wohn- und Lebensbedingungen. Sie sollte daher von allen Seiten respektiert werden, um die noch vor uns liegenden zwei Abbaujahre zu überstehen. Danach wird im ortsnahen Bereich des Rösebergs Ruhe einkehren – und, so bleibt zu hoffen, auch der Kutschweg wieder auferstehen.
Bedauerlich ist, dass einzelne Bewohner hier aktiv werden mussten und die Verwaltung in Walkenried sich diesbezüglich völlig herausgehalten hat, obwohl für die lange vor dem Steinbruchbetrieb bereits vorhandenen Wohnhäuser Baugenehmigungen vorlagen und der Konflikt mit Freigabe der ortsnahen Röseberg-Flanke für den weiteren Abbau quasi vorprogrammiert war. Saint Gobain Formula hatte seinerseits im Vorfeld schon einige Flächen aus dem – grundsätzlich bis zu den Grundstücksgrenzen der Anwohner genehmigten! – Abbau herausgenommen.
Das vom Gewerbeaufsichtsamt in Göttingen im Zusammenhang mit dem letzten Abschnitt des Steinbruchs „Röseberg-Mitte“ (welcher unmittelbar hinter den Häusern der Straße „Am Röseberg“ liegt, dessen Emissionen jedoch auch auf andere Bereiche des Klosterorts ausstrahlen) beauftragte Gutachten, ist offensichtlich fertiggestellt worden. Die Firma Saint Gobain Formula hat es in Auszügen einigen Bewohnern der Straße „Am Röseberg“ vorgestellt.
Neben den Lärmauswirkungen wird in Walkenried auch die optische Wirkung des Steinbruchs auf das Ortsbild diskutiert. Hier der Blick vom Friedhof auf dem Geiersberg hinüber zu der graubraunen Wand des bildbestimmenden Höhenrückens.
Bewohner Walkenrieds hatten sich besonders über den erheblichen Lärm des hydraulischen Meißels beklagt, mit dessen Hilfe oft stundenlang die bei den Sprengungen zurückbleibenden größeren Brocken zertrümmert werden. Speziell dieser Krach ist im ganzen Ort und selbst noch im Himmelreich und im Blumenberg weithin vernehmbar. Saint Gobain Formula hatte im Vorfeld des Gutachtens bereits eine zeitliche Beschränkung des Meißelbetriebes zugesagt und wollte sich auch im weiteren Lärm- und Sichtschutz kümmern. Dem breiteren Publikum ist das Gutachten leider noch nicht bekannt.
Da seitens der Firma und der Gewerbeaufsicht ein transparentes Verfahren und eine umfassende Information der Walkenrieder zugesichert wurden, ist dies schon etwas verwunderlich – aber was nicht ist, kann ja noch werden. Das Gutachten selbst hat übrigens keine Rechtskraft, sondern erst der ggf. daraus resultierende Bescheid des Amtes in Göttingen.