(Pressemitteilung der Initiative „Höchste Eisenbahn für den Südharz“)
Für den Frühzug von Nordhausen nach Göttingen wurde von vielen gewünscht und als wichtige Ergänzung des Angebots für Berufspendler und Auszubildende herbeigesehnt. Zuletzt fand dieser Wunsch auch Unterstützung im Kreistag und wurde von der Landesnahverkehrsgesellschaft befürwortet. Und nun, als er endlich da war, drohte aufgrund des Warnstreiks der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG gleich ein Fehlstart. Doch gottlob blieb er aus.
Michael Reinboth von der Initiative „Höchste Eisenbahn für den Südharz“, die sich jahrelang für diesen Zug stark gemacht hat, war denn auch am frühen Montag ganz unruhig. Im Walkenrieder Bahnhof brannte Licht, aber was war auf den anderen Stellwerken los? Doch dann schlossen sich die Schranken, und der Triebwagen rollte von Nordhausen herbei. Natürlich ohne Fahrgäste, denn das Land Thüringen verweigert seinen Bewohnern den Zugang zu dieser Verbesserung und verschließt sich der – geringfügigen – Mitfinanzierung. Von Nordhausen bis Ellrich verkehrt der Zug also, angehängt an einen ohnedies in Ellrich einzusetzenden und nach Nordhausen zurückfahrenden Zug, leer, und auch in der Grenzstadt – als solche muss man sie ja schon fast wieder bezeichnen – darf niemand einsteigen…
Schauriges Wetter in aller Herrgottsfrühe, aber der Triebwagen nach Göttingen ist da. Auch Fahrdienstleiter Ulrich Kamphenkel freut sich mit
Der Fahrdienstleiter und der sichtlich überraschte Triebwagenführer erhielten von Michael Reinboth ein kleines Präsent als Dankeschön und Ausdruck der Freude über diesen Frühzug überreicht. Bevor es um 5.03 in Richtung Göttingen weiterging, fanden sich bereits – trotz Streikdrohung und allererstem Betriebstag! – einige Reisende ein, ein vielversprechender Beginn. „Wir müssen natürlich an der Vermarktung des Angebots noch arbeiten, werden das aber auch tun“ meint Reinboth, der hierbei auf Unterstützung durch die DB Regio und die LNVG in Hannover setzt. Vor allem aber müsse man noch einmal in Thüringen anklopfen, um den unmöglichen Zustand vor allem in Ellrich zu beenden.
Der kürzliche Erwerb des Nachdrucks von „Die Eisenbahnen im Herzogthum Braunschweig zu Anfang des XX. Jahrhunderts“ – das Original soll sich in der Bibliothek der TU Braunschweig befinden – erwies sich als Glückstreffer, da in diesem nach amtlichen Quellen vom Geheimen Regierungsrath R.A. Schulz-Niborn bearbeiteten Werk tatsächlich sämtliche Eisenbahnen im Herzogtum behandelt werden, darunter auch die Strecke Northeim – Nordhausen und die Schmalspurbahnen im Harz, da alle irgendwo ein Stück durch das Herzogtum Braunschweig hindurch führten. Stationen und Abschnitte dieser Strecken außerhalb der Grenzen des Herzogtums werden nicht behandelt.
Zur fraglichen Zeit gehörten alle Bahnen im Herzogtum entweder zur Königlich Preußischen Staatsbahn oder aber waren privater Natur wie die „Südharz-Eisenbahn“. Das Herzogtum hatte ja nach 1870 seine Staatsbahn verkauft, über eine Bank gelangte sie in die Hände der Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn, der Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn und der Bergisch-Märkischen Eisenbahn und nach deren Verstaatlichung eben an Preußen. Das Buch verschafft einen guten Überblick über die Bedeutung der Eisenbahn als Transportmittel im damaligen Herzogtum Braunschweig. Es seien einige Passagen für den Südharz zitiert:
„Ähnlich dem Vorstehenden waren auch die Bestimmungen des mit Preußen am 18./27. April 1867 geschlossenen Staatsvertrages wegen der von der Magdeburg-Leipziger Eisenbahn-Gesellschaft, die bereits in den vorhergehenden Jahren 1865/67 die Linie Halle – Nordhausen als Theilstrecke der Halle-Casseler Bahn fertiggestellt hatte, zu erbauenden Linie von Nordhausen auf Herzberg bis zur Grenze des früheren Königreichs Hannover bei Nüxei, die bei Walkenried das Braunschweigsche Gebiet auf eine Länge von insgesammt 6,307 km durchschnitt. Die Herzogl. Regierung verpflichtete sich darin der ausführenden Privat-Gesellschaft außer einem Baarzuschuß zu den Baukosten den erforderlichen Grund und Boden unentgeltlich zu überweisen, und derselben Freiheit von Grund- und Gewerbesteuer und sonstigen öffentlichen Lasten zuzugestehen.“
An anderer Stelle wird der Zuschuss, den der Landtag genehmigen musste, mit 95.000 Talern beziffert. Wir sehen: Das Südniedersachsen-Programm ist keine Erfindung unserer Tage – Strukturpolitik in bestem Sinne wurde auch schon 1867 betrieben. Was war nun 1900 auf dem Walkenrieder Bahnhof los?
„4. Bahnlinie Northeim – Nordhausen.
Diese ist mit Doppelgleisen versehen und gehört zur Eisenbahn-Betriebsinspektion Nordhausen II. Sie betritt das Braunschweigsche Gebiet zunächst bei km 135,13 (ab Ottbergen), verläßt es aber schon wieder bei km 135,83, überschreitet dann bei km 136,44 nochmals die Braunschweigsche Grenze und tritt bei km 142,02 wieder aus. Die Gesamtlänge auf Herzogl. Braunschweigschem Gebiet beträgt mithin 6,30 km, darin befindet sich die Station Walkenried bei km 138,4. Daselbst hat auch der für dieses Stück bestellte Bahnaufsichtsbeamte (Bahnmeister) seinen Wohnsitz.
In anderweiter Beziehung gehört diese Strecke zur
Eisenbahn-Maschinen-Inspektion Nordhausen,
Eisenbahn-Werkstätten-Inspektion Göttingen,
Eisenbahn-Verkehrs-Inspektion Nordhausen,
Eisenbahn-Telegraphen-Inspektion Cassel.
Der Telegraphenmeister hat seinen Amtssitz in Northeim.
Die tägliche Zugfrequenz dieser Strecke beträgt 12-14 Personenzüge, 30 – 36 Vieh- und Güterzüge.
Station Walkenried ist Bahnhof II. Klasse mit vereinigtem Dienst und ist ununterbrochen besetzt. Die Abfertigungsbefugnisse sind nicht beschränkt, für Privatdepeschen besteht voller Tagesdienst. Wirthschaftsbetrieb im Stationsgebäude. Materialien-Niederlage. Der Dienst wird versehen von durchschnittlich 10 Beamten und 4 Arbeitern.
Die Bahnhofsgleise haben eine Ausdehnung von 3,76 km mit 23 Weichen. Walkenried ist Wasserstation und ausgerüstet mit 1 Gleiswaage von 6,9 m Länge und 25 to Höchstgewicht. Ferner sind für die Güter-Abfertigung vorhanden: 1 feste Laderampe, Lademaaß und 1 Lastkrahn von 2500 kgr Tragkraft. Die hier entladenen Viehwagen werden in Nordhausen desinficirt. Die Güter-An- und Abfuhr geschieht durch Privatunternehmer. Privat-Gleisanschlüsse bestehen
Der Verkehrsumfang betrug 1899:
Personen | Vieh (Stück) | Güter (to)
groß | klein | Stück- | Ladungs-
Abgang | 35.646 | 44 | 218 | 2.315 | 33.558
Eingang | 36 | 560 | 1.525 | 24.980
Haupt-Versand: Gyps, Eisenwaren, Holz, Rüben.
Haupt-Empfang: Steinkohlen, Roheisen, Sand, Holz.“
Vergleichen wir mal zu heute: Da passieren den Bahnhof Walkenried täglich 34 Personenzüge und zwischen 0-4 Güterzüge. Die Zahl der Reisenden liegt heute 2-3 Mal höher als 1899. Hingegen wird aktuell nicht eine Tonne Güter mehr abgefertigt. Die überragende Bedeutung der Eisenbahn für den Güterverkehr – und umgekehrt die Tatsache, dass es den Eisenbahnen gut ging, so lange es überall Güter zu transportieren gab – wird hier mehr als deutlich. Gegenwärtig gibt es noch 3 bediente Weichen, und durchschnittlich versieht exakt ein Eisenbahner den Dienst (pro Schicht). Dennoch – auch in seiner völlig gewandelten Rolle ist der Bahnhof für Walkenried weiterhin ein sehr wichtiges Stück Infrastruktur.
Schauen wir nun noch hinüber zur „Südharz-Eisenbahn“:
„Es werden auf der Hauptstrecke im Sommer 5, im Winter 4 gemischte Züge in jeder Richtung gefahren.
Station Walkenried in unmittelbarem Anschluß an die Staatsbahnstation, hat ein festes 2stöckiges Bahnhofsgebäude mit Dienst- und Warteräumen und angebautem Güterschuppen. Restauration fehlt. Personalbesetzung beträgt 3 Angestellte und Arbeiter bei vereinigtem Dienst. Abfertigungs-befugnisse sind nicht beschränkt, jedoch können schwere Fahrzeuge nicht verladen werden, da feste Rampe fehlt, und sind Sprengstoffe ausgeschlossen. Hier ist Wasserstation nebst Lokomotiv-Schuppen für 1 Maschine und Drehscheibe. Der Verkehr betrug im Jahr 1900:
Personen | Vieh (to) | Güter (to)
Stück- | Ladungs-
Abgang | 12.776 | 3,62 | 377,5 | 4.108,0
Eingang | 350,7 | 1.966,1“
Der Verkehr auf der Schmalspurbahn war ja erst im Jahr 1899 aufgenommen worden. Heute ist davon außer dem Gebäude und der Trasse als Radweg nichts mehr da. Mit „Hauptstrecke“ ist jene zwischen Walkenried und Braunlage gemeint, die Nebenstrecke war die von Brunnenbachsmühle nach Tanne. „Gemischt“ bedeutet, dass Personen und Güter mit einem Zug befördert wurden, was auf einigen Stationen zusätzliche Rangieraufenthalte erforderte.
Und heute? Zwischen Walkenried und Braunlage fährt, allerdings über Zorge und Hohegeiß, die Buslinie 470 an Schultagen 10-11 Mal pro Richtung, in den Ferien 5-6 Mal pro Richtung, am Wochenende 3-4 Mal pro Richtung mit zusätzlichen Kursen bis und ab Zorge. Nach Wieda verkehrt die Linie 472 in ähnlichen Frequenzen, allerdings ohne Verkehr an Sonn- und Feiertagen. Am heutigen Bahnhof Walkenried treffen sich an Spitzentagen also 34 Personenzüge, einige Güterzüge und bis zu 40 Linienbusse. Nicht schlecht – nur Güter werden keine mehr auf der Schiene verladen.
2017: Der Reiseverkehr erfolgt im Stundentakt, die Laderampe gegenüber hat ausgedient, für den Güterschuppen gilt das Motto „Ruinen schaffen ohne Waffen“ – der stolze Bahnhof kündet jedoch noch von der großen Zeit der Eisenbahn in Walkenried.
Osterfeuer im Südharz
Wie fast überall, ist es auch hier im Harz Brauch, am Ostersamstag die Osterfeuer auf den Höhen zu entzünden. Aus alter Tradition heraus wird damit der Sieg der Sonne über den Winter gefeiert. Folgende Osterfeuer können Sie hier im Südharz besuchen:
Samstag 26.03.2016, bei Einbruch der Dunkelheit
Sonntag 27.03.2016
Gottesdienste zu Ostern Samtgemeinde Walkenried
Walkenried/Kloster, Kapitelsaal (ev.-luth.)
Kirchengemeinde Walkenried St. Maria und Martini
Walkenried/ Pfarramt Heilig Kreuz (kath.)
Wieda/MartinLuther-Kirche (ev.-luth.)
Zorge/ St-Bartholomäus-Kirche (ev.-luth.)
Der Verein für Heimatgeschichte und die Gemeindebücherei bieten im Winterhalbjahr in den Räumen der Gemeindebücherei in Walkenried eine Reihe von Vorträgen zu unterschiedlichen Themen an. Der Beginn ist immer um 15.00 Uhr, die Dauer ist auf maximal 2 Stunden beschränkt.
24.09.2014 Der Erste Weltkrieg an der Südharzer Heimatfront: Dokumente von Bad Sachsa bis Hohegeiß
(Moderation Friedemann Schwarz, Hohegeiß)
Anhand von Dokumenten, Bildern, Briefen und Zeitungsartikeln wird gezeigt, wie Ausbruch und Verlauf des Krieges sich in den Orten des Südharzes ausgewirkt haben.
22.10.2014 Vor 25 Jahren wurde der Reisezugverkehr zwischen Ellrich und Walkenried wieder aufgenommen
(Vortrag Michael Reinboth, Walkenried)
Michael Reinboth hat zahlreiche Zeitzeugen in Ost und West interviewt und eine lebendige Schilderung der damaligen Ereignisse zusammengetragen. Aber auch das bis zum 12.11.1989 gültige „Grenzregime“ des Bahnhofs Ellrich wird erläutert.
05.11.2014 Felsenstädte und Tafelberge – Rund um Trautenau und Glatz
Die Adersbacher und Wekelsdorfer Felsenstädte und die „Heuscheuer“ sind höchst bemerkenswerte Gebilde, und auch Trautenau (Trutnov), Glatz (Klodzko) und Braunau (Broumov) sind besuchenswerte Städte in dieser Region der Sudeten. Anhand vieler Bilder gibt Michael Reinboth einen Überblick.
26.11.2014 Martinsfeiern in Nordhausen und im Südharz
(Vortrag Fritz Reinboth, Braunschweig)
Anhand von Bildern und Dokumenten bringt uns Fritz Reinboth die alte Tradition der Feiern zu Martin Luthers Geburtstag näher.
03.12.2014 Die Wasserburgen des Münsterlandes
(Vortrag Michael Reinboth, Walkenried)
Die Vielfalt der Wasserburgen des Münsterlandes überrascht: Keine ist wie die andere. Von echten Burgen wie Vischering oder Raesfeld spannt sich der Bogen bis zum Riesenschloss in Nordkirchen, dem „westfälischen Versailles“. Manches lässt sich per Fahrrad wunderbar erkunden. Fahren Sie doch einfach mit!
Zu jedem dieser Vorträge sind Gäste herzlich willkommen. Der Eintritt ist natürlich frei.
Hingewiesen sei auch noch einmal auf den von Frau Coombes wieder angebotenen Englischkurs, der jeweils Montag stattfindet.
(von Ruth Monicke)
Aufgrund der starken Nachfrage nach dem vergriffenem Heft „Grenzgeschichten aus dem Südharz“, ist zwischen Ellrich und Walkenried vereinbart worden, eine erweiterte Neuauflage vorzubereiten. Zu den „Grenzgeschichten“, die hauptsächlich die Tage der Grenzöffnung beschreiben, werden jetzt Berichte, persönliche Erlebnisse und Bilder aus der Folgezeit nach der Grenzöffnung gesucht. Diese werden als Teil II dem ersten Heft hinzugefügt. Zum Beispiel, welches unvergessene oder prägende Ereignis Sie in den vergangenen Jahren am meisten berührt hat. Schreiben Sie es nieder, wir freuen uns über jeden schriftlichen Beitrag.
Im nächsten Jahr vollenden wir das Vierteljahrhundert nach der Grenzöffnung. Für uns im Grenzbereich, ob in Ost oder West, dürfte die Nacht des 11. November 1989, wohl mit zu den wichtigsten und emotionalsten Ereignissen in unserem Leben zählen. Zur unbändigen Freude, der euphorischen Aufbruchsstimmung, kam aber auch bald die Erkenntnis, dass nach 44 Jahren der Trennung, zwar die gleiche Sprache gesprochen wird, der Alltag aber in unterschiedlichen Lebensstrukturen verläuft. Das machte das Miteinander nicht immer einfach. Ehemalige Kinderfreunde waren Erwachsene geworden und Verwandte oft nur durch Erzählungen ein Begriff. Die lange Zeit unüberwindliche Grenze hatte ihren Tribut gefordert. Die Umwälzung im Grenzbereich, noch vor der Einheit, kam nicht nur für die Menschen plötzlich, auch die Kommunen hatten enorme Aufgaben zu lösen. Was mit viel Hoffnung und ungeduldiger Erwartung begonnen, brachte auch Veränderungen und zerplatzte Träume mit sich.
Die Anerkennung und der Respekt gegenüber des Anderen, die Gemeinsamkeit und das gelebte Miteinander – ist ein mühsamer Prozess der seine Zeit braucht. Wie alles von den Menschen bewältigt wurde, ist es wert festgehalten zu werden. Nicht nur für uns, auch für die kommenden Generationen, die nie vom Kalten Krieg gehört, die nie die Grenze quer durch Deutschland gesehen haben.
Schreiben Sie es auf und schicken Sie uns Ihre Geschichte.